Tularämie - Tularämie - MSD Manual Ausgabe für Patienten (2024)

Tularämie (Hasenpest) ist eine Infektion, die durch das gramnegative BakteriumFrancisella tularensis hervorgerufen wird. Die Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt mit infizierten Wildtieren, meistens Kaninchen, oder durch den Biss/Stich einer infizierten Zecke, einer Goldaugenbremse oder eines Flohs.

  • Der Umgang mit Tierkadavern, ein Zeckenbiss, das Einatmen kontaminierter zerstäubter Partikel oder der Verzehr bzw. das Trinken von kontaminiertem Material kann diese Infektion hervorrufen.

  • Symptome können Fieber, Geschwüre und geschwollene Lymphknoten umfassen.

  • Aus Gewebe- oder Blutproben angelegte Kulturen können bei der Diagnosefindung behilflich sein.

  • Die Verabreichung von Antibiotika in Injektionsform ist fast immer wirksam.

  • Verhindert werden kann das Risiko von Tularämie durch Vermeidung von Zeckenbissen, vorsichtigen Umgang mit Tierkadavern und der Desinfektion von Wasser.

(Siehe auch Übersicht über Bakterien.)

Übertragung

Francisella tularensis kommt normalerweise bei Tieren, insbesondere bei Nagetieren, Kaninchen und Hasen, vor. Wilde Tiere und Haustiere können Träger der Bakterien sein.

Menschen können sich auf folgende Weise anstecken:

  • Durch den Umgang mit Tierkadavern (beispielsweise wenn Jäger Hasen häuten oder wenn Fleischer, Landwirte, Pelzhändler und Laboranten Kontakt mit Tieren oder tierischen Produkten haben)

  • Durch den Biss infizierter Zecken, Goldaugenbremsen, Flöhe oder anderer Insekten, die gewöhnlich im Sommer vorkommen (besonders bei Kindern)

  • Durch den Verzehr verunreinigter Nahrungsmittel (wie nicht durchgegartes Kaninchenfleisch) oder das Trinken von unsauberem Wasser

  • Durch das Einatmen von Schwebstoffpartikeln, welche die Bakterien enthalten (beispielsweise beim Rasenmähen, wenn der Rasenmäher über ein totes infiziertes Tier mäht, oder bei der Arbeit mit den Bakterien im Labor)

Francisella tularensis stellt eine potenzielle biologische Waffe dar. Es kann sich durch die Luft ausbreiten und wird eingeatmet. Die Größe des Schwebstoffpartikels bestimmt, in welchem Teil der Atemwege sich die Bakterien niederlassen. Kleine Partikel, die sich in der Lunge absetzen, verursachen eine Lungenentzündung. Größere Partikel setzen sich im Rachen ab. Partikel können sich auch in den Augen absetzen.

Tularämie wird nicht von Mensch zu Mensch übertragen.

Ausbreitung über die Blutbahn

Die Infektion kann sich über die Blutbahn ausbreiten und folgende Strukturen infizieren:

Manchmal kommt es zu Eiteransammlungen in der Lunge und dadurch zur Bildung von Abszessen.

Formen von Tularämie

Es gibt mehrere Formen von Tularämie.

Ulzeroglanduläre Tularämie

Hierbei handelt es sich um die häufigste Form. An der Stelle, wo die Bakterien in die Haut eindringen, entwickeln sich offene schmerzhafte Geschwüre (Ulzera): durch eine Hautverletzung, in der Regel an Händen und Fingern, oder durch einen Zeckenbiss, gewöhnlich an der Leiste, in der Achselhöhle oder am Rumpf.

Die Bakterien ziehen zu den benachbarten Lymphknoten und verursachen schmerzhafte Schwellungen. Mitunter reißt die Haut im Bereich der Lymphknoten auf und es kann zu Eiterausfluss kommen.

Glanduläre Tularämie

Die Lymphknoten schwellen schmerzhaft an, aber es entstehen keine Geschwüre auf der Haut.

Okuloglanduläre Tularämie

Eines der Augen schwillt schmerzhaft an, es kommt zu Rötung und oft zu Eiterausfluss. Die nahen Lymphknoten schwellen schmerzhaft an.

Möglicherweise entsteht okuloglanduläre Tularämie durch Berührung des Auges mit infizierten Fingern oder durch Spritzer von verunreinigtem Wasser.

Oropharyngeale Tularämie

Der Rachen ist entzündet und es kommt zu Schwellungen der Lymphknoten am Hals. Manche Betroffene leiden auch unter Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.

Oropharyngeale Tularämie wird meist durch den Verzehr von nicht durchgegartem, kontaminiertem Fleisch oder durch das Trinken von kontaminiertem Wasser hervorgerufen.

Typhoidale Tularämie

Es treten Schüttelfrost, hohes Fieber und Bauchschmerzen auf, jedoch entstehen keine Geschwüre und es kommt auch nicht zur Schwellung von Lymphknoten.

Typhöse Tularämie tritt bei einer Infektion der Blutbahn auf. Manchmal ist die Infektionsquelle unbekannt.

Pulmonale Tularämie

Die Lunge ist infiziert. Viele Betroffene haben einen trockenen Husten, Atemnot und Schmerzen im Brustkorb. Ein Ausschlag kann auftreten.

Pneumonie durch Tularämie wird durch Einatmen der Bakterien oder durch Verbreitung der Bakterien über die Blutbahn in die Lunge hervorgerufen. Diese Form tritt bei 10 bis 15Prozent der Patienten mit ulzeroglandulärer Tularämie und bei 50Prozent der Patienten mit typhöser Tularämie auf.

Septische Tularämie

Diese seltene Form ist auch die schwerste. Es handelt sich um eine Erkrankung des gesamten Körpers, bei dem die Bakterien sich in der Blutbahn ausbreiten und Funktionsstörungen vieler Organe hervorrufen.

Der Blutdruck ist niedrig, die Lunge füllt sich mit Flüssigkeit, und die Gerinnungsfaktoren im Blut sind aufgebraucht, sodass es zu Blutungen kommt (disseminierte intravasale Koagulopathie).

Symptome von Tularämie

Verschiedene Formen der Tularämie betreffen unterschiedliche Teile des Körpers (z. B. Augen, Rachen oder Lunge) und rufen somit verschiedene Symptome hervor. Gewöhnlich treten die Symptome 2 bis 4Tage nach dem Kontakt mit dem Bakterium auf, in manchen Fällen aber auch erst nach bis zu 10Tagen.

Geschwüre können in der Nähe der Kratzwunden oder Bisse entstehen, an denen die Infektion begonnen hat. Die Lymphknoten in der Nähe der infizierten Stelle können schmerzhaft anschwellen. Es kann plötzliches Fieber von bis zu 40° C in Verbindung mit Schüttelfrost, Kopfschmerzen, starken Schweißausbrüchen und Muskelschmerzen auftreten. Die Betroffenen haben möglicherweise ein allgemeines Krankheitsgefühl und fühlen sich elend. Es können Erbrechen und Gewichtsverlust auftreten. Zu jeder Zeit können Hautausschläge auftreten.

Prognose bei Tularämie

Bei entsprechender Behandlung erholen sich fast alle Patienten. Ohne Behandlung beträgt die Sterberate 6Prozent bei Patienten mit ulzeroglandulärer Tularämie und bis zu 33Prozent bei Patienten mit typhöser, pneumonischer oder septikämischer Tularämie. Der Tod tritt in der Regel infolge einer außer Kontrolle geratenen Infektion, Lungenentzündung, Meningitis (Hirnhautentzündung) oder Infektionen der Schleimhäute in der Bauchhöhle (Bauchfellentzündung) ein.

Rückfälle sind sehr selten, können aber bei unzureichender Behandlung auftreten. Menschen, die Tularämie bereits gehabt haben, sind gegen diese Erkrankung immun.

Diagnose von Tularämie

  • Kultur und Untersuchung von Proben von Blut und/oder anderen infizierten Flüssigkeiten

Vermutet wird Tularämie bei Patienten mit plötzlichem Fieber, geschwollenen Lymphknoten und typischen Geschwüren nach Kontakt mit Zecken oder Goldaugenbremsen oder selbst nach leichtem Kontakt mit Kaninchen, Hasen oder Nagetieren.

Es werden Proben von infiziertem Material, wie Blut, Lymphflüssigkeit, Eiter aus Geschwüren oder Auswurf, entnommen. Diese werden in ein Labor geschickt, wo zur Identifizierung etwaiger Bakterien Kulturen angelegt werden. Das Blut kann auch auf entsprechende Antikörper untersucht werden.

Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) kann verwendet werden, um die Menge an bakterieller DNS in der Probe zu erhöhen, sodass die Bakterien schneller nachgewiesen werden können.

Vorbeugung gegen Tularämie

Wenn Gebiete besucht werden, in denen Tularämie häufig vorkommt, sollten folgende Dinge beachtet werden:

  • Freiliegende Haut sollte mit einem Insektenschutzmittel, das 25 bis 30Prozent Diethyltoluamid (DEET) enthält, eingeschmiert werden.

  • Die Kleidung sollte mit einem permethrinhaltigen Insektenschutzmittel behandelt werden.

  • Bei Spaziergängen in Waldgebieten auf Wegen oder Pfaden bleiben

  • In der Mitte der Pfade laufen, um Berührungen von Büschen und Gras zu vermeiden

  • Lange Hosen tragen und die Hosenbeine in Stiefel oder Strümpfe hineinstecken

  • Kleidung, Familienangehörige und Hauttiere sollten sorgfältig nach Zecken abgesucht werden

  • Unbehandeltes Wasser, das möglicherweise verunreinigt ist, sollte nicht getrunken werden, noch sollte darin gebadet, geschwommen oder gearbeitet werden

Das unmittelbare Absuchen nach Zecken kann die Infektion verhindern, da die Übertragung durch eine anhaftende Zecke gewöhnlich erst nach 4Stunden geschieht. Zecken sollten sofort nach ihrer Entdeckung entfernt werden (siehe die Abbildung Vorbeugung gegen Zeckenbisse).

Beim Umgang mit Kaninchen, Hasen und Nagetieren sollte Schutzkleidung getragen werden (beispielsweise Gummihandschuhe und eine Gesichtsmaske), da Bakterien vorhanden sein können. Wildvögel und andere Wildtiere sollten vor dem Verzehr sorgfältig gekocht und zubereitet werden.

Zurzeit ist keine Impfung erhältlich, ein Impfstoff befindet sich aber in der Erforschung.

Nach Kontakt mit den Bakterien (beispielsweise nach einem Laborunfall) erhalten die Betroffenen Doxycyclin oder Ciprofloxacin, um einen Ausbruch der Infektion zu verhindern.

Behandlung der Tularämie

  • Antibiotika

Mit Tularämie Infizierte müssen nicht isoliert werden.

Tularämie wird in der Regel 7 bis 10Tage lang mit intramuskulären Streptomycinspritzen behandelt. Es können auch Gentamycin, Chloramphenicol, Ciprofloxacin und Doxycyclin angewendet werden.

In seltenen Fällen müssen größere Abszesse operativ entleert werden.

Warme Kompressen für das betroffene Auge, dunkle Brillengläser und die Einnahme verordneter Augentropfen können hilfreich sein.

Patienten mit starken Kopfschmerzen werden in der Regel Schmerzmittel verordnet.

Weitere Informationen

Die folgenden Quellen in englischer Sprache können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MANUAL nicht für den Inhalt dieser Quelle verantwortlich ist.

  1. Centers for Disease Control and Prevention (CDC): Tularemia: Eine Quelle, die Informationen über Tularämie liefert, unter anderem zur Infektionskontrolle sowie andere Ressourcen

Tularämie - Tularämie - MSD Manual Ausgabe für Patienten (2024)

FAQs

Wie wird Tularämie übertragen? ›

Übertragungswege. Die Übertragung erfolgt vornehmlich durch den direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder deren Kadavern. Auch die Zubereitung und der Verzehr von erregerhaltigem, nicht ausreichend durchgegartem Fleisch birgt ein Infektionsrisiko.

Ist Tularämie für Menschen gefährlich? ›

Die pulmonale Infektion mit F. tularensis ssp. tularensis kann unbehandelt in 30-60% der Fälle zum Tod führen.

Wie bekommt man die Hasenpest? ›

Die Hasenpest kann vom Tier auf den Menschen übertragen werden und dann auch lebensbedrohlich verlaufen. Die Übertragung erfolgt durch den Kontakt der Haut und Schleimhaut mit infektiösem Tiermaterial, über den Verzehr von nicht ausreichend erhitztem Hasenfleisch sowie durch das Einatmen von Staub oder Tröpfchen.

Was ist die Tularämie? ›

Tularämie ist eine bakterielle Infektion, die durch das Bakterium Francisella tularensis (mit verschiedenen Unterarten) ausgelöst wird. Das Bakterium befällt vor allem wildlebende Hasen, Kaninchen und Nagetiere wie Mäuse, Ratten, Eichhörnchen, wird aber auch in der Umwelt (Wasser, Erde) gefunden.

Ist Tularämie meldepflichtig? ›

Der Erregernachweis aus akuten menschlichen Erkrankungsfällen ist gemäß § 7 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes meldepflichtig. Die Tularämie bei Hasen und Kaninchen ist gemäß der Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten dem zuständigen Veterinäramt zu melden.

Wie stellt man Hasenpest fest? ›

Wie stellt man die Erkrankung beim Menschen fest? Der Nachweis erfolgt bei klinischem Verdacht durch eine Blutuntersuchung. Kann man die Hasenpest beim Menschen behandeln? Ja, verschiedene Antibiotika sind wirksam, insbesondere Tetrazykline und Gyrasehemmer, nicht jedoch Breitspektrumpenicilline.

Welches Antibiotikum bei Tularämie? ›

Therapie

In der Regel wird die Tularämie mit einer Kombination aus Streptomycin und Doxycyclin behandelt. Weitere wirksame Antibiotika sind Fluorchinolone, Chloramphenicol und Rifampicin.

Ist Hasenpest für Katzen gefährlich? ›

bei Katzen

Bei der Katze sind die Symptome und der Krankheitsverlauf sehr variabel: sie reichen von einer einfachen Infektion bis zu einer Sepsis mit tödlichem Ausgang.

Wer überträgt Hantavirus? ›

Hantaviren kommen weltweit vor und lösen unterschiedlich schwere Krankheitsformen aus. Die Erreger werden über Nagetiere wie Mäuse und Ratten auf den Menschen übertragen, in Deutschland hauptsächlich über die Rötelmaus und die Brandmaus.

Wie lange lebt ein Hase mit Hasenpest? ›

Erkrankte Hasen verlieren ihre natürliche Scheu, fliehen nicht und lassen sich leicht einfangen. Die Tiere sind oft stark abgemagert und zeigen eine hohe Atemfrequenz und Fieber. Innerhalb von 2 bis 13 Tagen verenden die meisten Tiere an einer Sepsis. Die Gefahr für Jagdhunde ist gering.

Wie erkennt man die Hasenpest? ›

Die infizierten Tiere bekommen in kürzester Zeit hohes Fieber, das mit Abmagerung, Schwäche und Apathie einhergeht. Nicht selten verändern die infizierten Tiere das Fluchtverhalten. Sie sind so entkräftet, dass sie ihre natürliche Scheu verlieren.

Wie äußert sich EC bei Menschen? ›

Die Symptome einer solchen Erkrankung reichen von Fieber, Brust-, Bauch-, Muskel- und Kopfschmerzen, Husten, Schnupfen, Durchfall, Nasennebenhöhlen- und Lungenentzündung, Binde- und Hornhautentzündung bis zum Nierenversagen.

Ist Tularämie eine Zoonose? ›

Die Tularämie – auch Hasenpest genannt – ist eine hochansteckende Zoonose, also eine vom Tier auf den Menschen übertragbare Erkrankung. Sie wird durch Bakterien der Art Francisella tularensis hervorgerufen.

Was ist die Schlafkrankheit? ›

Die Schlafkrankheit (Narkolepsie) ist eine neurologische Erkrankung, die zur Gruppe der Schlafsuchterkrankungen (Hypersomnie) gehört. Sie führt zu einer Störung der Schlaf-Wach-Regulierung: Erhöhte Schläfrigkeit und plötzliche Schlafattacken während des Tages können zu gefährlichen Situationen im Alltag führen.

Sind Kaninchenkrankheiten auf Menschen übertragbar? ›

Bis auf wenige Ausnahmen sind Kaninchenkrankheiten nicht auf Menschen übertragbar. Eine Ausnahme ist etwa die Enzephalitozoonose bzw. die als „Schiefkopf“ bekannte Krankheit.

Wer überträgt Hasenpest? ›

Mücken, Bremsen oder Zecken. Eine Übertragung auf den Menschen erfolgt vorwiegend durch Haut- und Schleimhautkontakt mit infektiösem Tiermaterial (wie beim Häuten oder Schlachten) sowie durch den Verzehr von nicht ausreichend erhitztem, kontaminiertem Fleisch oder verunreinigtem Wasser.

Wie stecken sich Hunde mit Hasenpest an? ›

bei Hunden

Am Häufigsten stecken sich Hunde durch einen Zeckenbiss an oder durch die Aufnahme von kontaminiertem Wasser. Ein weiteres Risiko stellen stechende Insekten dar: Auch Flöhe, Mücken und Stechfliegen können die Krankheit übertragen!

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